Gedankenanstoss

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    (Nach)Österliches Wandern

    Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Menschen jedweder Identität,

    rund um das gerade zurück liegende Osterfest bin ich mit drei Männern in meinem Alter zum Wandern auf eine Insel aufgebrochen. Unsere Unterkunft befand sich auf der kanarischen Insel La Palma, von dort hatten wir einen direkten Blick auf den neuen Vulkan Tajogaite. Die Folgen seines Ausbruchs vor dreieinhalb Jahren sind in der Region allgegenwärtig, auch wenn die Bauarbeiten auf Hochtouren laufen.

    Das Ziel unserer Reise haben wir voll erreicht: Bei acht Wanderungen sind mehr als 90 Kilometer und mehr als 4.000 Höhenmeter zusammengekommen. Das kann kaum verwundern, denn die Geografie der Insel kennt eigentlich nur Wege, die auf- oder abwärts führen. Geübte Wanderinnen und Wanderer mögen die Zahlen belächeln. Es darf aber hinzugefügt werden, dass viele der Auf- und Abstiege durchaus aufmerksames Gehen und einige Trittsicherheit auf Geröll, schwarzem Sand und felsigem Gestein erfordern. Und ich gestehe, dass ich gelegentlich an meine körperlichen Grenzen gekommen bin. Immerhin entschädigten phantastische Ausblicke auf Gipfeln und meditative Phasen in teils mystisch anmutender Landschaft für die Mühen.

    Und dann war da der sehr beeindruckende Besuch der Karfreitagsprozession in der größten Stadt der Insel am späten Abend. Heiligenfiguren wurden auf den Schultern getragen oder auf mit Muskelkraft gerollten Wagen durch die Stadt gefahren. Die Szenerie wurde von eintönigem Trommeln und Trauermärschen musikalisch begleitet. Die abschließende Szene in der Kirche mit einem laut zuknallenden „Grabdeckel“ und verlöschendem Licht ließ manche Besucherinnen und Besucher erschrecken, obwohl sie vermutlich die Prozedur seit vielen Jahren kannten.

    In diesen Tagen musste ich oft an die Wanderung der beiden „Emmaus-Jünger“ denken. Im biblischen Bericht nach Lukas waren die beiden ja am Auferstehungstag von Jerusalem nach Emmaus und zurück unterwegs. Wir werden uns wegen der Geografie rund um Jerusalem die Wanderung ähnlich anstrengend vorzustellen haben wie die unsrigen. Und auch, wenn die Ortsbestimmung „Emmaus“ historisch nicht gesichert ist, erkenne ich eine weitere Parallele zu unseren Wanderungen. Der Name des Ortes bedeutet übersetzt etwa „warme Quelle“. Das gilt auch für den Ort „Fuencaliente“ auf La Palma – wenig überraschend in sehr bergigem Terrain. Auch dort sind wir gewandert. Und ein Weiteres: auch wenn es Phasen der Stille bei unseren Wanderungen gab, so fanden wir oft auch zu Gesprächen zusammen. Sie waren mehr oder weniger tiefgehend. Im Austausch gab es aber Rückmeldungen, dass das eine oder andere Gespräch von einem oder mehreren als sehr wichtig empfunden wurde, zumal wir vor einigen Wochen gemeinsam den Tod eines unserer Wanderkollegen miterlebt hatten – auf einer Wanderung! So hatten wir viel Raum zu einiger Aufarbeitung und Vergewisserung.

    Diesen Raum brauchten auch die „Emmaus-Jünger“. Sie mussten den Tod ihres Rabbi verarbeiten und waren ratlos. Rat bekamen sie von einem Fremden, der sich ihnen zugesellte und, wie es die Lukas-Erzählung beschreibt, ihnen den Sinn des Erlebten erschloss. Die Erzählung gipfelt darin, dass sich in dem Fremden Jesus als der Auferstandene zu erkennen gibt.

    Auf dem Weg sein, miteinander sprechen, Phasen der Stille und des Austauschs suchen, neue Eindrücke fremder Landschaften und ernster Volksfrömmigkeit sammeln: Das ist ein Schatz, den ich aus unserer gemeinsamen Zeit mitgenommen habe. Dafür lohnt sich auch eine Anstrengung.

    So war mein Ostern in diesem Jahr – auch eine Art Auferstehung. Heraus aus dem Alltag, hinauf auf den einen oder anderen Berg (einmal meinte einer, hier lohne es sich Hütten zu bauen!), miteinander reden, gemeinsam essen, Leben teilen. Und das in einer landschaftlich biblischen Atmosphäre, die Naturgewalten um uns herum nahezu auf Schritt und Tritt sicht- und spürbar. Eine Atmosphäre, die dazu einlädt das „Höhere“, Sinn zu suchen und zu finden.

    Wie war Ihr Ostern in diesem Jahr?

        Peter Querbach
    Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Griesheim

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    Jahreslosung 2025

    „Prüft aber alles und das Gute behaltet.“
    (1. Thessalonicherbrief 5,21)

    von Prof. Dr. Ralf Dziewas

    Wir leben in Zeiten, in denen sich unsere Gesellschaft rasant verändert und immer vielfältiger wird. Und manche begrüßen jede Neuerung, während andere lieber das Althergebrachte verteidigen wollen.
    Und gleichzeitig steigt die Vielfalt in unserer Gesellschaft und der Streit zwischen den verschiedenen Ansichten wird zum Teil erbittert geführt.

    Was uns als Problem der modernen Gesellschaft erscheint, ist eigentlich eine uralte Frage. Wie reagieren wir auf neue Herausforderungen und wachsende Vielfalt? Diese Frage ist so alt, dass sie sogar im ältesten Text des Neuen Testaments thematisiert wird.
    Dort schreibt der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Thessaloniki zu diesem Thema: „Prüft aber alles, und das Gute behaltet.“

    Die von Paulus gegründete Gemeinde in Thessaloniki lebte in einer antiken Hafenstadt, in der Menschen aus allen Ländern der Welt zusammenkamen.
    Und sie brachten unterschiedlichste Religionen und Kulte, philosophische Überzeugungen und Wertvorstellungen mit und stellten
    damit die junge christliche Gemeinde vor Ort vor viele Fragen:

    – Wie umgehen mit dieser Vielfalt?
    – Wie offen dürfen wir sein?
    – Welche Glaubensgrundsätze, sind unaufgebbar, welche veränderlich?
    – Und wie sieht eine gute christliche Lebenspraxis aus?

    „Prüft aber alles, und das Gute behaltet.“ Eine ziemlich pragmatische Antwort, die Paulus hier anbietet. Aber er weiß, wovon er spricht. Er war als Verteidiger einer strengen jüdischen Gesetzesfrömmigkeit aufgewachsen und hatte zunächst die Anhänger des neu entstehenden christlichen Glaubens verfolgt.
    Was neu und anders war, als er es gelernt hatte, das konnte nicht gut sein. Aber dann machte er die umstürzende Erfahrung, dass ihm der auferstandene Jesus begegnete. Und nach diesem Damaskuserlebnis wurde er zu einem Missionar des neuen Glaubens
    und zum Begründer eines Christentums, dass sich nicht mehr an die alten Gesetzesvorschriften des Judentums gebunden sah. Er hatte sich also nicht nur auf etwas für ihn wirklich umstürzend Neues eingelassen, sondern es zu seinem Lebensinhalt gemacht.

    Die von Paulus formulierte Jahreslosung für das Jahr 2025 enthält auch für unsere Zeit eine praktische Grundhaltung für neue Herausforderungen:
    Seid offen für das Neue, denn es könnte gut sein. Aber prüft das Neue daran, ob es sich als gut erweist.
    Und wenn ja, dann behaltet es bei und nehmt es in Eure Lebens- und Gemeindepraxis auf.

    Dass dieser Vorgang des Prüfens intensive Diskussionen auslösen kann, ist klar. Aber die sind es wert, geführt zu werden,
    weil wir nur so auch in einer sich schnell verändernden Gesellschaft immer wieder das Gute
    aus den vielfältigen neuen Möglichkeiten herausfiltern und in unser Leben integrieren können.

    Prof. Dr. Ralf Dziewas
    Professor für Diakoniewissenschaft und Sozialtheologie

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    Ein Herz für Kinder – ein Herz für Menschen

    Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Menschen jedweder Identität,

    am vergangenen Wochenende habe ich zum ersten Mal größere Teile der Benefiz-Gala „Ein Herz für Kinder“ im Fernsehen verfolgt. Und ich muss gestehen: die dort dargestellten Schicksale und das vorgestellte Engagement vieler Menschen können einen nicht unberührt lassen. Da müsste mensch schon ein „Herz aus Stein“ haben. Besonders angesprochen hat mich das Engagement des ehemaligen Fußballprofis Toni Kroos. Die von ihm gegründete Stiftung hilft schwer kranken Kindern und Jugendlichen und ihren Familien. Dafür sind inzwischen bedeutende Geldmittel eingeworben sowie sinnvoll eingesetzt worden. Und Toni Kroos ist in der Arbeit präsent, zeigt Herz – ein Herz für Kinder eben. Dafür wurde er auch in der Fernsehsendung mit einem „goldenen Herzen“ geehrt. Mit den Ovationen, die ihm entgegen gebracht wurden, ging er souverän und keinesfalls etwa mit einer lässig-arroganten Haltung um – und kündigte für die Aktion „Ein Herz für Kinder“ eine Spende in Höhe von 100.000 € an. Das nötigt mir Respekt ab. Man mag einwenden, dass hier einer der oft so genannten „Superreichen“ vergleichsweise vielleicht nur ein Almosen gegeben hat. Hier hat aber einer Herz gezeigt, der sich empor gearbeitet hat, sich eine eigene Meinung erlaubt, von dem erworbenen Reichtum Engagement und Spenden an solche weitergibt, die es dringend brauchen. Dabei zeigt er nach außen eine Haltung, die ihn zum Vorbild taugen lässt.
    Für einen Menschen wie Toni Kroos nutze ich gerne die Umschreibung: Das ist einer, der Gutes im Schilde führt.

    Einen solchen Menschen muss ich nicht gleich fragen: „Was glaubst du?“ Warum? Weil ich eine glaubwürdige Antwort auf die Frage „Was tust du?“ erkenne.
    Und in dem oben beschriebenen Verhalten erkenne ich ein „Herz für Kinder“ und ein Herz für Menschen in tätiger Nächstenliebe.

    Als evangelischer Christ weiß ich natürlich um das reformatorische „allein aus Glauben“. Das will sagen, dass der Mensch der Gnade und Gerechtigkeit Gottes allein aus Glauben teilhaftig wird. Dafür gibt es im Neuen Testament auch wichtige Belege. Glücklicherweise werden diese an der einen oder anderen Stelle aber noch konkretisiert. Zum Beispiel in einem Brief, den der Apostel Paulus an die Gemeinde der Galater geschrieben hat. Das war eine frühchristliche Gemeinde in der Gegend der heutigen türkischen Hauptstadt Ankara.

    Im fünften Kapitel dieses Briefs zeigt sich, dass es um den Glauben geht, der in tätiger Liebe wirksam wird. Diese „tätige Liebe“ ist für mich der Ausweis dessen, dass eine oder einer Gutes im Schilde führt. Den oder die muss ich nicht kritisch nach dem „richtigen Glauben“ hinterfragen. Dafür ist auch das Gleichnis vom so genannten barmherzigen Samariter ein Beleg.

    Zwei für mich sehr glaubwürdige Zeugen möchte ich für meine dargelegten Gedanken noch bemühen.
    Der eine ist Dietrich Bonhoeffer. Dieser evangelische Theologe formulierte am Ende seines Lebens: „Christus als Gott ist der Mensch für andere“. Er bezahlte seine Haltung (und sein Tun) mit dem Leben und wurde kurz vor Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft ermordet.
    Der zweite ist der katholische Theologe und vor kurzem verstorbene Bischof Franz Kamphaus. Er formulierte: „Mach’s wie Gott, werde Mensch!“ Ein gerne gebrauchtes Zitat für die Advents- und Weihnachtszeit. So gerne beide Theologen für romantische Momente in der Advents- und Weihnachtszeit zitiert werden, so ernst ist bei näherem Hinsehen die Botschaft beider Männer. Es geht um die unbedingte und tätige Nächstenliebe. Dafür steht der Christus als Vorbild, dessen Geburtsfest bevorsteht. Dafür stehen zum Beispiel die beiden genannten Theologen als glaubwürdige Nachfolger.

    Und wenn es darum geht, ein „Herz für andere“ zu zeigen, zu entwickeln, tätig werden zu lassen, dann darf auch sicher einer wie Toni Kroos zum Vorbild taugen. Wichtiger aber ist noch, dass wir alle, die wir Christus nachfolgen wollen, die wir glaubwürdig den Sinn des Advent und des Weihnachtsfestes in die Welt tragen wollen, dieses Herz für Menschen, das Herz für andere, das Herz für alle Kreatur zeigen, groß werden lassen – und wegen mir dann auch golden werden lassen wie eine Kugel, die den Weihnachtsbaum oder ein liebevoll verpacktes Geschenk schmückt.

    Peter Querbach
    Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Griesheim

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    Jammerfasten in der vorösterlichen Zeit

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    ob Sie religiös geprägt oder interessiert sind oder großen Abstand dazu haben:
    In dieser vorösterlichen Zeit kommt man kaum an Hinweisen zur Passions- oder Fastenzeit vorbei.
    Hinzu kommt, dass ab dem 10. März der islamische Fastenmonat Ramadan beginnt. Auch hierfür wird es große mediale Aufmerksamkeit geben.
    Mit der Passionszeit erinnern die christlichen Kirchen an die im Neuen Testament überlieferten Leidenserzählungen des Jesus von Nazareth.
    Damit verbunden wird für Christinnen und Christen das Einhalten einer „Fastenzeit“,
    für die es im Neuen Testament ebenfalls vorbildhafte Erzählungen gibt. Für das Einhalten des Fastens in der Passionszeit gab es über Jahrhunderte strenge kirchliche Regeln, die zu befolgen waren.
    In säkularen und wirtschaftlichen Verhältnissen, in denen das ursprüngliche Fasten, also der weitgehende Verzicht auf wertige Nahrungsmittel aus religiösen Gründen an Bedeutung verloren hat, gibt es inzwischen einige Kreativität zum Umgang mit dem Fasten.
    Und das nicht nur aus religiösen Gründen. „Sieben Wochen ohne“, so lautet eine griffige Parole. Und dazu gibt es viele Vorschläge, von denen man und frau sich nach Bedarf etwas aussuchen kann: Sieben Wochen ohne Alkohol, Nikotin, Fleisch, Schokolade, Zucker, Auto… Die Liste verlängert sich fortlaufend.

    Copyright Tiki Küstenmacher

    Eine relativ junge und inzwischen viel beachtete Form des Fastens ist das so genannte „Jammerfasten“.
    „Sieben Wochen ohne Jammern“, so lautet das Leitwort.
    Gemeint ist nicht die Klage über definitiv erfahrenes schweres Leid oder Unglück, sondern das Jammern und Nörgeln über Dinge und Gegebenheiten, die einem gerade „nicht in den Kram passen“, eine lästige Unannehmlichkeit darstellen, das gerade gewünschte, eigene Wohlbefinden aus irgendeinem Grunde beeinträchtigen. Und solche Gründe lassen sich ja immer schnell finden.
    Hilfreich und erleichternd für ein „Jammerfasten“ mag da eine grundsätzliche Haltung der Dankbarkeit sein. Ja, sie mag den Vorsatz auf einen Verzicht des Jammerns sogar überflüssig machen!

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    Neulich im Bus…

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Ende vergangener Woche saß ich im Bus zum Darmstädter Hauptbahnhof, um mich mit einer Griesheimer Gruppe auf den Weg nach Frankfurt zu einem Ausflug zu machen. In der Reihe neben mir saßen zwei junge Frauen, beide mit einigem Gepäck unterwegs.
    Ihre Unterhaltung wurde in einer Lautstärke geführt, die ich nicht teilnahmslos überhören konnte. So wurde ich Zeuge eines Dialogs, der sinngemäß so verlief:
    „Ich bete jetzt zum heiligen Champilius, dass wir den Zug noch bekommen.“ – „Heiliger Champilius, wer soll das denn sein?“– „Das ist ein Schutzpatron, ein imaginäres Geistwesen. Mit dem kann ich mich außerdem unabhängig von meinen Eltern machen. Von denen will ich nämlich nicht mehr abhängig sein. Ich bete jetzt, dass wir den Zug noch bekommen!“

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    „God bless you – I mean that!“

     „Gottes Segen – ich mein das so!“

    https://www.bethhart.com

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Ende vergangener Woche bekam ich nachmittags einen Anruf. Ein Freund bot mir für denselben Abend eine Karte für ein Open-Air-Rockkonzert in Mainz an. Von der US-amerikanischen Sängerin Beth Hart hatte er mir zuvor begeistert berichtet, konnte nun aber nicht selbst am Konzert teilnehmen.

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    Gottes geliebte Menschen

    Liebe Leserin,
    liebe Leser,

    am 8. Mai hat die zweite Nacht der Kirchen in Griesheim stattgefunden; auf diese vielfältige und kreative Veranstaltung hatten sich die ökumenisch zusammenwirkenden christlichen Gemeinden als ihren Beitrag zu „850 Jahre Griesheim“ verständigt. Die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde hat dies mit der Aktion „Gottes geliebte Menschen“ verbunden. Haben Sie etwas davon mitbekommen? Zu je zwei Terminen in unseren Gemeinderäumen und in der Stadt haben wir Menschen gebeten, sich fotografieren zu lassen. Die entstandenen Bilder haben wir zu einer Fotoausstellung zusammengetragen – 150 Bilder von Menschen in Griesheim! Unser Fotograf Gunnar Bremer, zugleich Regionalreferent unserer Freikirche, sagte uns voraus: „Das wird Euch verändern!“  Recht hatte er.
    Veränderung Nummer eins: Mal wieder seinen Mut zusammen zu nehmen, fremde Menschen anzusprechen, einzuladen, Bestandteil der Ausstellung für Griesheim zu werden. Haben Sie das schon mal gemacht – auf einem öffentlichen Platz fremde Menschen anzusprechen, einzuladen – und sei es zu einer solchen Kleinigkeit wie: ein Foto von sich machen zu lassen? Klar und zu verstehen auch, dass ein Vielfaches vom Ergebnis sich nicht ansprechen lassen will und fremde Ansprache eher als Zumutung ansieht. Erstaunlich aber, wie viele sich eben den Moment genommen haben – und weitere uns tiefen Einblick in ihr Leben gegeben haben: Die Seniorin, die neu in die Stadt kam und jetzt hier heimisch werden möchte; der coole Typ, der sich gerne zur Schau stellt und das auch so sagt; der Inter Mailand – Fan, der zu jedem Heimspiel kostenlos fahren und dort untergebracht werden kann; die etwas abgespannte Mutter, die sich über ein überraschendes Angebot von Fotos ihrer Kinder freut; der Radfahrer, der zunächst wegen ‚Zeitmangels‘ ablehnt und dann fast eine Stunde lang die Bitterkeiten seiner an Enttäuschung reichen Lebensgeschichte darlegte; der Mann, der gerade auf originelle Weise eine Jahre alte Schuld beglichen hatte und wie auf der Flucht schien; der Migrant, der sich sichtbar freute überhaupt mal angesprochen zu werden  – und, und und. Sie alle sind nun Bestandteil unserer Ausstellung und werden von uns überhaupt nicht mehr anonym wahrgenommen.

    Veränderung Nummer zwei: Der Fotograf und Theologe Gunnar Bremer hat uns durch zwei themenorientierte Gottesdienste und zwei Themenabende auf teils amüsante, teils tiefgründige Weise neu dafür die Augen geöffnet, dass jeder Mensch ein von Gott geliebter Mensch ist – unabhängig von Herkunft, Geschichte, Aussehen, Status. „Gemeinsam ist man nicht mehr einsam“ oder „Gott, bin ich schön!“ – so lauteten etwa die Überschriften einzelner Veranstaltungen. Er hat uns und unsere Gäste ermutigt, einen neuen Blick auf uns selbst und andere zu richten, einen Blick von außen. Einen Blick aus der Richtung, die auch Gott einnehmen könnte: einen Blick der Freude, der Freundschaft, der Enttäuschung ohne Bitterkeit, der wohlwollenden Sorge, des Erkennens – der Liebe eben. Auch davon zeugen nun die 150 Fotos in unseren Gemeinderäumen im Nordring. Es hat uns hoffentlich – nein, ganz sicher – einen neuen Blick auf Mitmenschen gegeben, Mitmenschen, die wir vorher vielleicht kaum eines Blickes gewürdigt haben. Es hat etwas mit uns gemacht.

    Die Erfahrung dieses Perspektivwechsels, diese neuen Blickes möchte ich Ihnen gerne weitergeben, Sie dazu ermutigen, einen neuen Blick auf die Menschen ihrer näheren und weiteren Umgebung zu wagen: wohlwollend, achtsam, mitfühlend, wenn es geht. Kurz gesagt: Mach’s wie Gott, schau neu hin! Das wird auch Sie verändern.

    Peter Querbach
    Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Griesheim
    (Die Foto-Ausstellung kann jeweils nach unseren Gottesdiensten (ca. 11:30-12:30 Uhr) besucht werden) 

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    Zwischen brennen und ausbrennen – wenn die Seele müde wird

    Plakat_Inspirin_BurnoutDas Thema:

    Von der Lust und der Last
    Burnout-Gefährdete sind oft vielseitig begabte Menschen, die über eine ausgeprägte soziale Intelligenz verfügen. Es sind Menschen, die gerne und leidenschaftlich arbeiten. Sie wollen ihre Sache gut machen und mit dem Ergebnis zufrieden sein, kommen irgendwann an Ihre Grenzen und geraten stressbedingt in den Strudel eines Burnouts.

    Die geistliche Dimension
    Welche Rolle kann da dem Glauben zukommen, um diese innere Verunsicherung auszuhalten? Was bedeutet das für das Arbeiten und Miteinander in der Gemeinde?

    Wie die Seele wieder zu atmen beginnt
    Herr Prof. Dr. Heyl zeigt Wege aus der Burnout-Falle auf, gewährt einen Einblick in den eigenen Alltag, berichtet wie der Glaube immer neu trägt.

    Weiter Infos können im Veranstaltungsflyer gefunden werden.

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    Nehmt einander an!“

    Liebe Leserin,
    liebe Leser,

    zunächst darf ich Ihnen ein gutes – und wenn Sie gestatten, auch ein gesegnetes – neues Jahr wünschen.

    Im Bereich der evangelischen Kirchen und Gemeinschaften ist es üblich, ein neues Jahr unter eine „Losung“, also ein Motto zu stellen, das einem Bibelwort entnommen ist. Dafür gibt es alljährlich ein mehrstufiges Verfahren, das von der Herrnhuter Brüdergemeinde verantwortet wird. Für das Jahr 2015 ist ein Wort aus dem Brief des Paulus an die Römer ausgewählt worden: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“ (Römer 15,7) Inhaltlich entstammt das Wort dem Bemühen, Christen mit jüdischer Prägung und anderer Hintergründe (damals so genannte Heiden) so mit einander zu verbinden, dass sie gemeinsam zu einem glaubwürdigen Zeugnis ihres Glaubens an Jesus Christus fähig werden.

    Jahreslosung 2015Jede Zeit hat ihre eigenen Themen, Problemstellungen und Entwicklungsschwerpunkte. So dürfen wir natürlich danach fragen und suchen, welche Aktualität einer Losung wie der oben genannten zukommt. Wenn man bedenkt, dass der Prozess der Auswahl dieses Bibelwortes einige Zeit her ist, kann man der Herrnhuter Brüdergemeinde beziehungsweise den Verantwortlichen für die Auswahl einen prophetischen Zug nicht absprechen. Dazu gleich mehr. Schauen wir zunächst ganz praktisch auf diese Aufforderung „Nehmt einander an!“ und die mögliche Herausforderung für unser Leben.

    „Nehmt einander an“ kann gelten für Situationen, in denen uns zunächst fremde Menschen in unsere Lebenszusammenhänge treten, zum Beispiel in Familie, Beruf und sonstigem persönlichen Umfeld.