Gedankenanstoss

Jammerfasten in der vorösterlichen Zeit

Liebe Leserin, lieber Leser,

ob Sie religiös geprägt oder interessiert sind oder großen Abstand dazu haben:
In dieser vorösterlichen Zeit kommt man kaum an Hinweisen zur Passions- oder Fastenzeit vorbei.
Hinzu kommt, dass ab dem 10. März der islamische Fastenmonat Ramadan beginnt. Auch hierfür wird es große mediale Aufmerksamkeit geben.
Mit der Passionszeit erinnern die christlichen Kirchen an die im Neuen Testament überlieferten Leidenserzählungen des Jesus von Nazareth.
Damit verbunden wird für Christinnen und Christen das Einhalten einer „Fastenzeit“,
für die es im Neuen Testament ebenfalls vorbildhafte Erzählungen gibt. Für das Einhalten des Fastens in der Passionszeit gab es über Jahrhunderte strenge kirchliche Regeln, die zu befolgen waren.
In säkularen und wirtschaftlichen Verhältnissen, in denen das ursprüngliche Fasten, also der weitgehende Verzicht auf wertige Nahrungsmittel aus religiösen Gründen an Bedeutung verloren hat, gibt es inzwischen einige Kreativität zum Umgang mit dem Fasten.
Und das nicht nur aus religiösen Gründen. „Sieben Wochen ohne“, so lautet eine griffige Parole. Und dazu gibt es viele Vorschläge, von denen man und frau sich nach Bedarf etwas aussuchen kann: Sieben Wochen ohne Alkohol, Nikotin, Fleisch, Schokolade, Zucker, Auto… Die Liste verlängert sich fortlaufend.

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Eine relativ junge und inzwischen viel beachtete Form des Fastens ist das so genannte „Jammerfasten“.
„Sieben Wochen ohne Jammern“, so lautet das Leitwort.
Gemeint ist nicht die Klage über definitiv erfahrenes schweres Leid oder Unglück, sondern das Jammern und Nörgeln über Dinge und Gegebenheiten, die einem gerade „nicht in den Kram passen“, eine lästige Unannehmlichkeit darstellen, das gerade gewünschte, eigene Wohlbefinden aus irgendeinem Grunde beeinträchtigen. Und solche Gründe lassen sich ja immer schnell finden.
Hilfreich und erleichternd für ein „Jammerfasten“ mag da eine grundsätzliche Haltung der Dankbarkeit sein. Ja, sie mag den Vorsatz auf einen Verzicht des Jammerns sogar überflüssig machen!

Zwei Beiträge dazu möchte ich ihnen heute schildern.
Ein guter Bekannter von mir macht keinen Hehl daraus, dass er seinen Glauben ohne Kirchenzugehörigkeit und Gottesdienstbesuche leben will. Wichtig ist ihm aber folgendes Bekenntnis und Ritual: „Jeden Morgen danke ich vor dem Aufstehen meinem Gott dafür, dass ich diesen neuen Tag erleben darf!“
Das prägt seine Haltung. Ich weiß, dass er durchaus Gründe für eine andere persönliche Befindlichkeit anführen könnte, für ein Jammern, ein Bedauern dafür, dass es die eine oder andere Wendung, das eine oder andere Ereignis in seinem Leben gegeben hat.

Mit einem anderen Bekannten war ich unlängst auf einer Wanderung unterwegs. Er begann sein Bekenntnis damit, dass man im Volksmund Katzen oft „sieben Leben“ nachsage.
Gemessen daran sei sein Vorrat an Lebensmöglichkeiten wohl bald erschöpft, wenn nicht überbeansprucht. Und er erzählte, beginnend mit der Kindheit, von Unglücken, schweren Erkrankungen und Ereignissen, die für ihn zu ernsthaften Bedrohungen wurden.
Noch vor wenigen Wochen, so erzählte er, sei er mit dem Auto auf einer mehrspurigen Straße unterwegs gewesen. Da habe sich von einem schweren LKW vor ihm ein großes Rad gelöst und sei in sein Auto gekracht. An dem entstandenen Schaden, der auf über 30.000 € geschätzt wurde, sei ersichtlich, dass es an ein Wunder grenze, wenn er nahezu unverletzt habe aus dem Auto steigen können.
„Irgendwo muss da wohl doch eine helfende Instanz unterwegs sein, die größer ist als wir.“ So lautete das Fazit meines Wanderkollegen. Und, resultierend aus einer früheren schweren Erkrankung:
„Jeden Morgen überprüfe ich als erstes, ob ich meine Füße noch bewegen kann. Und dann bin ich dankbar.“

Dankbare Haltungen, die für mich nichts Aufgesetztes, nichts Zwanghaftes an sich haben. Haltungen, die aus langer Lebenserfahrung stammen, die durchaus in eine jammernde, klagende Einstellung hätten münden können.Hilfreiche Beiträge vielleicht für Menschen, die den Einstieg in ein „Jammerfasten“ erwägen.
Und noch einmal der Hinweis: Wer schwer wiegendes Leid, Krankheit und Unglück erfährt, findet für seine begründete Klage im Gott des Alten und des Neuen Testaments, in dem „Gott für andere“ immer einen Adressaten.
Konkret wird das oft genug durch Menschen, die dafür ansprechbar sind und so „Erst Hilfe“ leisten. Und „Jammerfastende“ will ich gerne zu dem Perspektivwechsel ermutigen, der so viele Gründe für eine Haltung der Dankbarkeit hervorbringt.

Peter Querbach
Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Griesheim