„Mache dich auf, werde licht!“
Liebe Leserin,
liebe Leser,
auch wenn ich nun schon einige Erfahrung im Auf und Ab der Jahreszeiten habe, gestehe ich, dass mir die Dunkelheit zum Ende des Jahres gar nicht behagt. Klar, für Berufstätige ist es in dieser Zeit völlig normal, morgens im Dunkeln aus dem Haus zu gehen – und viele kommen erst im Dunkeln wieder nach Hause zurück. Merkwürdig: In jedem Jahr staune ich neu, wie früh sich in der ohnehin schon grauen Tristesse der Tag neigt. Sicher, wir haben gelernt, das zu überspielen, wie so vieles. Wird es dunkel, dann machen wir eben Licht. Und was für Lichter machen wir da: In den Büros und Produktionsstätten ist es, wenn es sein soll, Tag und Nacht „taghell“, dafür sorgen schon die Arbeitsschutzvorschriften. Sportveranstaltungen, die für Fernsehübertragungen geeignet sein sollen, sind so hell erleuchtet, dass man ihren Lichtkegel weithin wahrnehmen kann. In unseren Wohnungen sorgen wir für die gewünschte Stimmung mit den unterschiedlichsten Lichteffekten. Ein Schaltimpuls genügt. Städte und Gemeinden, die wegen knapper Kassen zum Energiesparen gezwungen sind, kämpfen mit intelligenten Steuerungen um jede Minute, in der die Straßenbeleuchtung noch nicht zum Einsatz kommen muss – aber dann wird im Zusammenspiel mit Leuchtreklamen, Scheinwerfern und Hausbeleuchtungen ein „Lichtrausch“ daraus! Dabei verbreiten die Minuten vor dem Einschalten und nach dem Ausschalten der möglichst knapp gehaltenen Straßenbeleuchtung für mich immer eine ganz besondere Stimmung.
Ähnlich ist es wohl auch den Menschen zu Zeiten gegangen, in denen der Prophet Jesaja einen Weckruf ausstieß: „Mache dich auf, werde licht!“ Zu diesen Zeiten fürchteten Menschen noch, die Sonne könnte am nächsten Morgen eventuell nicht mehr aufgehen, weil sie sich ihrer Vorstellung schlafen legte. Und die stockdunkle Nacht der Städte und Dörfer, durch wenige Kerzen und Fackeln in den Häusern erhellt, erst recht die Dunkelheit außerhalb der Ortschaften war vermutlich wirklich furchterregend. Selbst einen Weg zu finden und auf ihm zu bleiben war da schon schwierig und mit nicht wenigen Gefahren verbunden.
In eine außerordentliche Dunkelheitserfahrung tönt der Ruf des Propheten: „Mache dich auf, werde licht!“ Nach Krieg und Verschleppung hatten die Heimgekehrten gehofft, mit ihrem Land würde es nun schnell wieder aufwärts gehen. Doch es folgten Zeiten weiterer Gefahren, harter Arbeit und Frustration. Sehnen Sie nicht auch gelegentlich das sprichwörtliche „Licht am Ende des Tunnels“ herbei – vielleicht gerade zu dieser Zeit, in der es auch äußerlich dunkel ist, wo die „Jahresendrallyes“ für Viele nur Stress, Hetze und oft alles andere als vorweihnachtlich-freundliche Zuwendung sind?
„Mache dich auf, werde licht!“ ruft der Prophet – und er fügt eine ganz ungewöhnliche, ja unglaubliche Vision des Heils und Wohlergehens und der Bewunderung dieses Wohlstands an. Er geht sogar so weit zu behaupten, vor lauter Licht brauche man keine Sonne und keinen Mond mehr! Und dabei schlägt er keine zeitliche Brücke über zweieinhalbtausend Jahre, meint er nicht die Aussicht auf eine Zivilisation wie die des 21. Jahrhunderts. Seine Vorstellung ist, dass die unglaublich licht- und heilvolle Zeit quasi von außen auf die Menschen zufalle. An eine solche Möglichkeit, dass Licht und Heil von außen auf sie zukommen könne, glauben auch heute noch viele Menschen. Sie bereiten sich darauf vor, zünden nicht nur Kerzen für äußere Lichter an, sie ändern auch ihre innere Einstellung. Sie leben gleichsam diese Aufforderung: „Mache dich auf, werde licht!“ Warum? Der Prophet gibt die Antwort: „Weil dein Licht kommt!“
Ach ja: Sie lesen die unglaubliche Vision im 60. Kapitel des Jesajabuchs. Das lässt sich auch leicht im Internet finden. Ich wünsche Ihnen erhellende Adventswochen – und dann eine weihnachtliche Lichterfahrung!
Peter Querbach / Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Griesheim